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Biografie Ernst Erich Noth (1909-1983)

Ernst Erich Noth in Paris, 1934Der Schriftsteller und Literaturhistoriker Ernst Erich Noth kommt am 25. Februar 1909 in Berlin zur Welt und verstirbt am 15. Januar 1983 in Bensheim an der Bergstraße. Ursprünglich hieß er Paul Krantz, später legte er sich das Pseudonym Ernst Erich Noth zu, das mit seiner Einbürgerung in den Vereinigten Staaten von Amerika 1948 auch sein bürgerlicher Name wurde. Als uneheliches Kind wächst er in einer berüchtigten Berliner Mietskaserne auf. Da er als außerordentlich talentiert gilt, wird er gefördert und als »begabtes Proletarierkind« auf die höhere Schule geschickt. Dort kommt er mit den zunehmenden Krisenherden der damaligen bürgerlichen Welt, der Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher seiner Generation in Berührung. Traurige Berühmtheit erlangt er als junger Mensch beim Aufsehen erregenden Prozess um die »Steglitzer Schülertragödie« (Steglitzer Schülermordprozeß), bei dem Noth eine prominente, wenn auch unschuldige Hauptrolle spielt. Obwohl er 1928 vom Gericht freigesprochen wird, leidet Ernst Erich Noth zeit seines Lebens unter dieser traumatischen Tragödie, die sich in seinem Freundeskreis zugetragen hatte.

Nach diesem Einschnitt wird der junge Mann in die Odenwaldschule in Heppenheim aufgenommen, die einen anti-autoritären Ansatz verfolgt. Nach seinem Abitur immatrikuliert er sich 1929 an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität im Studienfach Germanistik. Immerhin war die Literatur schon damals seine Leidenschaft, und er hatte früh angefangen, Gedichte zu verfassen. Zeitgleich beginnt er als freier Mitarbeiter für die »Frankfurter Zeitung« zu schreiben: Der Literaturredakteur Siegfried Kracauer hatte ihn ins Feuilleton geholt. Doch wird ihm unter den nun an die Macht gekommenen Nationalsozialisten verweigert, sein Studium erfolgreich abzuschließen: Seine Dissertation »Die Gestalt des jungen Menschen im deutschen Roman der Nachkriegszeit« unter Prof. Dr. Franz Schultz bleibt unveröffentlicht, da das mündliche Examen wegen Promotionsverbots unterblieb. Erst 1971 wird die Prüfung nachgeholt.

Aus politischen Gründen emigriert er am 4. März 1933 nach Paris, wo er zunächst an der Sorbonne weiterstudiert. Zeitgleich arbeitet er regelmäßig an französischen Wochen- und Monatsschriften (unter anderem Les Nouvelles Littéraires, Vendredi, Europe, Temps Présent) mit. Später verschlägt es ihn den Süden Frankreichs, wo er vor allem an den »Cahiers du Sud« mitarbeitet und von 1935 bis 1940 als einziger Nichtfranzose Redaktionsmitglied ist. Die »Cahiers du Sud« waren ein wichtiges französisches Forum für die Literatur. Derweil wird Ernst Erich Noth die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und im Mai 1939 durch das Reichsministerium des Innern ausgebürgert. Gleichfalls waren alle bis dahin veröffentlichten Schriften in der »Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums«, die von der Reichsschrifttumskammer geführt wurde, angemerkt und verboten. Der Roman »Die Mietskaserne« war schon am 10. Mai 1933 verbrannt worden.

1939 wird Noth in Frankreich vorübergehend interniert, freigelassen und nach dem Kriegsausbruch mit Deutschland erneut interniert. Die für einen Emigranten sehr erfolgreiche Zeit in Frankreich neigt sich dem Ende zu: Immerhin hat der junge Autor in den besten Verlagen publiziert (Grasset, Gallimard, Plon) und war Teil der französischen Literaturszene. Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen kommen seine Titel auf die Liste »Otto« – sind somit verboten. Ein Jahr versteckt er sich im Untergrund, bis ihm 1941 mit Hilfe des American Rescue Committee auf abenteuerliche Weise die Flucht in die USA gelingt.

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird er in New York von 1942 bis 1948 Leiter der deutschsprachigen Kurzwellensendungen der National Broadcasting Company (NBC), unterbrochen von einem anderthalbjährigen Militärdienst bei der Marine. 1948 nimmt Noth die amerikanische Staatsbürgerschaft an, die er bis zu seinem Tode behalten wird. Als eine seiner zufriedenstellendsten Perioden wird Noth später die Zeit bezeichnen, als er von 1949 bis 1959 Herausgeber und Chefredakteur der internationalen Literaturzeitschrift »Books Abroad« ist. Zeitgleich wird er Professor für Moderne Sprachen und Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of Oklahoma. In letzterer Eigenschaft an der Marquette University, Milwaukee und wissenschaftlicher Leiter des Fachbereichs für klassische Literaturen und Neuere Philologien. 1963 kehrt er nach Europa zurück, zunächst nach Frankreich, wo er als Lektor bei mehreren Verlagen arbeitet und Dozent an den Universitäten Aix-en-Provence, Marseille und Paris (Sorbonne, Asnières) ist. Schließlich erhält er einen Ruf von seiner alten Universität in Frankfurt am Main: Von 1971 lehrt er zunächst als Gastprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, dann von 1974 bis zu seiner Entlassung 1980 als Honorarprofessor.